Fachartikel
Schraubtechnik
(Fachartikel, Juni 2016)
Das intelligente Schraubsystem für Leichtbauverbindungen
ADAPTIVE DFS – das adaptive DEPRAG Fastening System: automatisierte, gesteuerte Fließformverschraubung
Optimaler Prozess durch automatische Anpassung an sich ändernde Parameter
CO2-Reduktion und die Verlängerung von Ladezyklen bei der E-Mobilität: beides Ziele, denen man durch leichtere Fahrzeuge näher kommt. Der moderne Fahrzeugbau hat das längst erkannt und setzt auf Leichtbaustoffe anstelle von konventionellem Stahl im Karosseriebau.
Hohe Sicherheitsanforderungen, die Werkstoffverfügbarkeit, eine einfache Reparatur, der leichte Austausch von Karosseriebauteilen bis hin zum Recycling und der Möglichkeit zur Wiederverwertung stellen die Automobilindustrie vor große Herausforderungen. Auch für die Montage bedeutet dies ein Umdenken: Die Wahl der richtigen Verbindungstechnik ist im Leichtbau von entscheidender Bedeutung. Im Karosseriebau der Automobilindustrie hat sich das Verfahren mit Fließloch Schrauben etabliert. Im englischen Bezeichnet man das Verfahren meist als "flow drill screwdriving", wobei die Schraube meist mit "flow drill screw" in der Literatur zu finden ist.
Die speziell geformte Spitze der sogenannten Fließlochschraube oder Fließformschraube (engl. flow drill screw) generiert durch hohen Anpressdruck und hoher Drehzahl Reibungswärme und erwirkt einen Fließprozess des nicht vorgebohrten Metallbleches. Zu Beginn des Prozesses bildet sich zunächst ein „Krater“, in den nach Durchtritt der Schraube und Formung eines „Durchzugtrichters“ bei reduziertem Anpressdruck das mehrgängige Gewinde gefurcht wird. Ein Maschinengewinde entsteht, das im Reparaturfall auch eine „normale“ Schraube aufnehmen kann. Nach dem Ausformen dieses Fließlochs wird die Drehzahl herabgesetzt, es folgen der Voranzug der Schraube bis zur Kopfauflage und der Endanzug des Verbindungselements auf die zuvor festgelegten Parameter Drehmoment und Drehwinkel.
Der komplette Vorgang dauert in der Regel weniger als 2 Sekunden. Zusätzliche Sicherungselemente wie Muttern oder Bolzen sind nicht erforderlich, da sich bei der Montage Durchzug und Gewinde der Schraube optimal anpassen. Die Schraube „sitzt“. Vorbereitendes Bohren oder Stanzen der Bauteile entfällt.
Dieses Verfahren mit Fließform Schrauben erlaubt nicht nur das Verbinden von Blechen verschiedener Materialien, sondern bietet auch in Bezug auf Prozesskosten und -zeiten deutliche Vorteile. Doch eignet sich dieses Schraubverfahren auch bei schwankenden Toleranzen und Bauteilvarianten? Mehr Informationen zum Fließform Schrauben finden Sie in unserem Produktbereich unter ADFS oder Adaptive DFS.
Um die Verschraubungsqualität trotz Bauteiltoleranzen wie Lageabweichungen, Blechdickentoleranzen, Schraubenlängentoleranzen oder Gefügeunterschieden sicherzustellen, müssen bei den derzeit am Markt verfügbaren Schraubsystemen für alle Schraubstellen die Schraubparameter aufwändig und separat ermittelt werden. Üblicherweise basieren deren Zustellbewegungen und -kräfte auf Druckluftzylinder mit Proportionalventil. Die notwendige Genauigkeit der Statusänderung von Zustellkräften und -positionen lassen dann unter Umständen zu wünschen übrig. Das Verhalten komprimierter Luft kann verhindern, dass die einzelnen Prozessschritte mit der gewünschten Genauigkeit erfolgen.
Besonders kritisch ist dabei der Übergang von der Ausformung des Durchzuges (Phase 3) zum Gewindefurchen (Phase 4). Hier besteht bei verfrühter Reduzierung von Schrauberdrehzahl und/oder Andruckkraft die Gefahr, dass der Durchzug nicht vollständig ausgebildet wird und durch erhöhtes Furchmoment die Schraube oder das Bauteil zerstört wird. Eine verspätete Umschaltung führt durch Beschädigungen am Gewinde ebenfalls zur Beeinträchtigung der Schraubverbindung.
Aufwändige Schraubparameteranalyse entfällt
Diese Risiken hat der Schraubtechnikexperte DEPRAG nun völlig eliminiert: Das Unternehmen bietet eine adaptive Montageeinheit für die Fließformverschraubung mit geregeltem elektrischen Antrieb sowohl für den Vorschub- als auch den Schraubprozess an. Damit wird eine hochdynamische Beeinflussung der Prozessgrößen Andruckkraft und Schrauberdrehzahl abhängig vom kontinuierlich ermittelten Istzustand möglich.
Anders als bei herkömmlichen Systemen werden mit der neuen adaptiven Montageeinheit Adaptive DFS Vorschubgeschwindigkeit und Vorschub hochgenau vorgegeben und überwacht. Die kontinuierlich rückgemeldeten Daten aus den Steuermodulen ermöglichen eine exakte und automatische Erkennung der relevanten Durchdringungspunkte. Zeitkritische und notwendige Parameteränderungen werden autonom durch die Schraub- und Vorschubsysteme vorgenommen.
Dies sichert ideale Prozessparameter unabhängig von Toleranzen in Bauteil oder Schraube und reduziert damit maßgeblich den Analyse- und Parametrieraufwand im Vorfeld. Kostspielige und aufwändige Reparaturprozesse, verursacht durch unsauber geformte Durchzüge, schwergängige Schrauben oder zerstörte Gewinde, werden auf ein Minimum reduziert.
Ideale und sich der jeweiligen Situation angepasste Prozessparameter, stellen zudem sicher, dass die Verbindungsteile Schraube und Bauteil den geringstmöglichen Belastungen ausgesetzt sind. Die zusätzlichen Prozessdaten erhöhen zudem die Durchgängigkeit der Dokumentation von Schraubprozessen.
Die getrennte elektronische Regelung von Vorschub- und Schraubantrieb bietet weitreichende Parametriermöglichkeiten. Dies sichert eine hohe Flexibilität bei der Verarbeitung verschiedener Materialien und Materialkombinationen. Zudem wird die Verwendung spezieller Schraubverfahren für neue Verbindungselemente zur Umsetzung anwendungsspezifischer Prozessabläufe ermöglicht.
Die gesteuerte Zustellbewegung bietet jetzt die Möglichkeit, bei zukünftigen Materialien und Materialpaarungen wie Kohlenstoffverbundwerkstoffe und CFK genaue Zustellabläufe und Umschaltpunkte zu definieren. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil bei neuen Materialien, deren Verhaltensmuster (z. B. De-Laminierung bei Perforierung) noch nicht absehbar sind.
Das neue Montagesystem arbeitet mit einer Drehzahl von bis zu 8000 1/min bei max. 15 Nm Drehmoment. Durch den geregelten elektrischen Antrieb des Vorschubs lassen sich beliebige Positionen zielgenau anfahren. Das ermöglicht ein sicheres Halten der Schraube durch den Steckschlüssel, was insbesonders bei Unterflurverschraubungen notwendig ist. Darüber hinaus verkürzt sich dadurch die Taktzeit je Verschraubung, da nur noch ein kurzer Zustellhub auszuführen ist. Sowohl beim Gewindeformen als auch beim Schraubenanzug können die materialbedingten Grenzen (wie z. B. Drehzahl, Drehmoment) optimal ausgenutzt werden. Während das System die nächste Schraubposition anfährt, wird bereits die nächste Schraube zugeschossen und der Großteil der Zustellbewegung durchgeführt. Das Schraubsystem ist auf kürzeste Taktzeiten optimiert.
Ein weiteres neues und wichtiges Merkmal der adaptiven Montageeinheit ist die zentrale Einleitung der Andruckkraft in Schraubachse. Andruckkräfte von bis zu 3500 N führen damit nicht mehr zu Querbelastungen was sich wiederum äußerst positiv in Bezug auf Verschleiß von Lagern und Führungen auswirkt. Ein kompakter und gewichtsoptimierter Aufbau ist sichergestellt. Durch das geringe Gesamtgewicht eignet sich die Einheit bestens für den Robotereinsatz. Durch die schlanke Bauform mit einer Baubreite unter 170 mm und minimalen Störkonturen können auch schwer zugängliche Schraubstellen erreicht werden. Das Schraubsystem kann durch Austausch der schraubenspezifischen Baugruppen einfach an unterschiedliche Verbindungselemente angepasst werden. Der modulare Aufbau in Verbindung mit Schnellwechselfuttern macht das System besonders wartungsfreundlich. Optional kann das System mit einem automatischen Werkzeugwechselsystem ausgestattet werden.
Die Schraubenzuführung ist in zwei Varianten lieferbar: Schraubenzuführung über Schlauch oder Bereitstellung über Wechselmagazin.
Um den hohen Anforderungen im Sinne von Wartungs- und Servicefreundlichkeit gerecht zu werden und Ausfallzeiten zu minimieren, ist die Montageeinheit modular aufgebaut. Komponenten, die kontinuierlich in Berührung mit dem Bauteil oder dem Verbindungselement kommen und dadurch höherem Verschleiß ausgesetzt sind, können ohne Werkzeug und besondere Kenntnisse per Knopfdruck getauscht werden.
Das Montagesystem verfügt über eine ergonomische, intuitiv bedienbare Oberfläche. Umfassende integrierte Diagnosefunktionen bilden die Grundlage für die vorbeugende Wartung und maximale Verfügbarkeit der Anlage. Durch die Erfassung und Ausgabe aller Prozessparameter und Schraubergebnisse ist die vollständige Dokumentation und Auswertung möglich.
Und: Mechanische und elektrische Schnittstellen sind vorbereitet für den schnellen Anbau einer Kamera oder eines Laser Pointers zur Dokumentation der Schraubstellengeometrien, der Zugänglichkeitsprüfung der Schraubstellen oder dem komfortablen „Teachen“ der Schraubpositionen.
Pressekontakt zum Thema flow drill screwdriving:
Dagmar Dübbelde
DEPRAG SCHULZ GMBH u. CO. KG
Carl-Schulz-Platz 1
D-92224 Amberg
Tel: 09621 371-343
Fax: 09621 371-199
Email: d.duebbelde@deprag.de
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