Leitfaden zur Auswahl Schraubtechnik

Die optimale Technik für Ihre Schraubaufgabe

Produkt- und Prozessingenieure kennen diese Situation: Die Schraubtechnik, als umfangreichste Verbindungstechnik bekannt, überrascht in der Praxis mit Einflussgrößen, die während der Berechnungs- und Bestimmungsphase nicht berücksichtigt wurden. Eine Lösung findet jetzt der Ingenieur, der sich in der Planungsphase für die richtige Schraubtechnik entschieden hat.

Dieser Leitfaden bietet Ihnen Hilfestellung und Hinweise für die Auswahl des geeigneten Schraubsystems in der industriellen Montage.

DEPRAG bietet ein sehr umfangreiches Spektrum an Schraubwerkzeugen für die unterschiedlichsten Anwendungen. Werkzeuge für die Montage anspruchsvoller Produkte mit hohen Anforderungen an die Prozesssicherheit unterliegen einer anderen Betrachtung als z. B. Schlagschrauber, die in einem groben Montageumfeld eingesetzt werden.

DAS RICHTIGE WERKZEUG FÜR IHRE ANWENDUNG

Überblick über die verschiedenen Schraubwerkzeuge und ihre Anwendungen

 

A   Schraubtechnik für die industrielle Montage

Für die industrielle Montage bietet DEPRAG ein breites Angebotsspektrum, von der Basislösung, dem bewährten Druckluftschrauber NANOMAT®, MICROMAT® oder MINIMAT® bis hin zum elektronisch betriebenen EC-Servo Schrauber.

Die Einteilung dieser Werkzeuge erfolgt nach verschiedensten Kriterien, wie z. B. nach

  • manuellem oder stationären Einsatz
  • dem Antriebsprinzip: pneumatisch oder elektronisch
  • der Bauform: gerade Ausführung, Winkelbauform, Pistolenform
  • der Anforderung an die Prozesssicherheit, Flexibilität, Dokumentation, etc.

In vielen Fällen wird in der industriellen Montage nicht nur ein Schraubwerkzeug, sondern das ganze Schraubsystem auf den jeweiligen Anwendungsfall, den Schraubprozess und die geforderte Prozesssicherheit abgestimmt. D.h. Schraubwerkzeuge, Drehmoment- und Drehwinkelmessgeräte, die Zuführtechnik bis hin zur vollständigen Ausstattung des Handarbeitsplatzes oder der vollautomatischen Montageanlage – alles muss aufeinander abgestimmt sein.

Hier erhalten Sie einen ersten Einstieg in die Auswahl des geeigneten Schraubwerkzeuges. Allerdings: Eine Abstimmung der Schraubtechnik auf Ihre individuelle Anwendung kann endgültig nur in einer gezielten Anwendungsanalyse (z. B. Schraubfallanalyse anhand Ihrer Bauteile) erstellt werden.


B   Schraubtechnik für Spezialanwendungen

Für verschiedenste Spezialanwendungen bietet DEPRAG eine Auswahl unterschiedlicher Werkzeuge, wie z. B.:

  • SENSOMAT®
    Der Schrauber mit mechanischer Kupplungssperre für die Verarbeitung von Gewinde furchenden, Gewinde schneidenden oder selbst bohrenden Durchgangsschrauben.
    Die Schraube wird mit vollem Motormoment eingedreht. Erst kurz vor Auflage des Schraubenkopfes wird die Abschaltkupplung freigegeben und der Schrauber schaltet exakt beim voreingestellten Drehmoment ab.
  • Impulsschrauber mit Abschaltung
    Der Schrauber mit hydraulischem Impulsschlagwerk z. B. für die schnelle Verschraubung ohne spürbare Drehmomentreaktionen mit Drehmomentabschaltung.
  • Schlagschrauber
    Für schnelles Verschrauben im Drehmomentbereich von 90-1200 Nm
  • MINIMAT®-T
    Der Tiefenabschaltschrauber mit exakter Abschaltfunktion nach voreingestellter Einschraubtiefe, z. B. für die Holz- und Gips verarbeitende Industrie
  • VARIOMAT
    Der Alleskönner in der Holzbearbeitung
  • DEMONTAGE-Schrauber
    Leichtes Lösen von Schraubverbindungen z. B. für den Reparatur- oder Recyclingbetrieb
  • Flachkopfschrauber
    Die Lösung für beengte Platzverhältnisse und Schrauben von M3 bis M8

Die Auswahl eines Schraubwerkzeuges für die industrielle Serienmontage ist sehr anspruchsvoll. Deshalb soll in den nachfolgenden Schritten dieses Leitfadens besonders auf diese Schraubwerkzeuge eingegangen werden.

AUSWAHL DER MONTAGETECHNIK ANHAND DER ZU MONTIERENDEN STÜCKZAHLEN

Grundsätzlich gilt es herauszufinden, welche Montagetechnik Ihre Produktionsvorgaben erfordern. Bei relativ niedrigen Stückzahlen, kurzen Produktlebenszyklen oder hoher Anzahl von Produktvarianten bietet sich ein handgeführtes Schraubwerkzeug für die manuelle Montage an.

Dieses kann bei steigenden Produktionszahlen aufgerüstet werden, z. B. mit einer automatischen Schraubenzuführung.

Der Umkehrschluss bedeutet, dass relativ hohe Stückzahlen und lange Produktlebenszyklen für automatisierte Montageprozesse prädestiniert sind. Hierzu bieten sich halbautomatische oder vollautomatische Montageanlagen an.

Entsprechend der Variantenvielfalt Ihres Produktes stehen flexible XY-Einspindelsysteme oder an ein spezifisches Lochbild angepasste Mehrspindelanlagen zur Verfügung.

AUSWAHL DER ANTRIEBSART - ELEKTRISCHER STROM ODER DRUCKLUFT?

Es bieten sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Antriebsmedien an: der elektrische Strom oder die Druckluft. Elektronisch oder pneumatisch betriebene Schrauber zeichnen sich durch klare spezifische Eigenschaften aus, die in den einzelnen Anwendungsfällen Auswahl bestimmend sind.

Folgende Faktoren sind bei der Entscheidung zu berücksichtigen:

 

Kriterium Elektronischer Antrieb Pneumatischer Antrieb  
A: Flexibilität (variierende Anzugsparameter) hoch niedrig  
B: Prozesssicherheit hoch mittel  
C: Drehmomentgenauigkeit hoch hoch  
D: Betriebsdatenerfassung und statistische Prozesssteuerung hoch mittel  
E: Dokumentationspflicht hoch mittel  
F: Investitionsbedarf hoch niedrig  
G: Betriebskosten niedrig niedrig  
H: Vorhandensein der Antriebsmedien vorhanden i.d.R. vorhanden  
I: Lebensdauer hoch hoch  

Einzelne Faktoren oder Kombinationen daraus beeinflussen die Auswahl des Antriebsmediums. Z. B.: Das Nichtvorhandensein von Druckluft ist ein Ausschlusskriterium für den Druckluftschrauber. Oder: die Anforderung an Flexibilität, wie variierende Anzugsparameter, ist ein klares Merkmal für die Verwendung eines elektronisch betriebenen und frei programmierbaren Schrauberwerkzeuges.

 

Kriterium A: Flexibilität

Besteht die Möglichkeit oder Notwendigkeit, dass sich in Ihrer Anwendung einer der Parameter Drehmoment, Drehwinkel, Drehzahl, Drehrichtung oder Einschraubtiefe ändert, so empfehlen wir ausdrücklich den Einsatz eines elektronischen Schraubsystems. EC-Schraubsysteme (MINIMAT®-EC-Servo Schrauber, NANOMAT®-EC Schrauber, MICROMAT®-E Schrauber, MINIMAT®-EC Schrauber) sind in den oben genannten Parametern frei programmierbar. Änderungen im Schraubablauf können leicht umgesetzt werden.

Der Umkehrschluss bedeutet, dass bei gleichbleibenden Parametern der Einsatz eines pneumatisch betriebenen Abschaltschraubers (NANOMAT® Schrauber, MICROMAT® Schrauber, MINIMAT® Schrauber) ausreichend sein kann.

 

Kriterium B: Prozesssicherheit

Prozesssicherheit ist ein sehr weiter Begriff, der sich entscheidend auf Umfang und Kosten des auszuwählenden Schraubsystems auswirkt. Die Anforderungen an die Prozesssicherheit sind im Vorfeld klar zu definieren.

Während in einer Anwendung bereits das einfache Übermitteln von i.O.-/n.i.O-Signalen ausreicht, schreibt eine andere das genaue Aufzeichnen, Auswerten und Dokumentieren sämtlicher Montageschritte vor.

I.O.-/n.i.O.-Signale stellen Druckluftschrauber und EC-Schrauber zur Verfügung. Zur Aufzeichnung, Auswertung und Dokumentation der Montageschritte werden intelligente Schraubsysteme vorwiegend auf EC-Basis verwendet. Alternativ können Druckluftschrauber mit zusätzlicher Drehmoment-/Drehwinkelsensorik eingesetzt werden.  

Zusätzliche Anforderungen können bei der Montage von sicherheitsrelevanten Bauteilen erforderlich werden. Dies kann das Erfassen und Auswerten von Drehmomentergebnissen über eine unabhängige Sensorik sein oder gar die Forderung nach Redundanz, wie sie die EC-Servo Schraubtechnik in Verbindung mit dem Einsatz eines zusätzlichen Drehmomentmesssystems bietet.

 

Kriterium C: Drehmomentgenauigkeit

DEPRAG Druckluftschrauber der Serie NANOMAT®, MICROMAT® oder MINIMAT®, alle ausgestattet mit einer hochgenauen mechanischen Abschaltkupplung, bieten die fast schon sprichwörtliche Genauigkeit von kleiner ±3 % Standardabweichung – und das bei Millionen von Taktspielen.

Die Standardabweichung ist jedoch nur eine Angabe für die Präzision der DEPRAG Schrauber. Der Maschinenfähigkeitsindex Cmk ist der maßgebliche Wert zur Befähigung eines Werkzeuges für die industrielle Verwendung. DEPRAG Druckluftschrauber mit Abschaltkupplung erfüllen unter geeigneten Umgebungsbedingungen einen Cmk-Wert von ≥1,67 bei ±10 % Toleranz bezogen auf 6 Sigma nach ISO 5393. Anders ausgedrückt bedeutet ein Cmk-Wert von 1,67 einen Fehleranteil von 0,6 pro einer Million Verschraubungen.

DEPRAG Schrauber auf Basis von EC- bzw. EC-Servo Technik können mehr: Je nach Anordnung und Programmierung der Anzugssequenzen erlauben sie Drehmomentgenauigkeiten von kleiner ±1 % Standardabweichung oder auf den Maschinenfähigkeitsindex bezogen, einen Cmk Wert von ≥1,67 bei ±5 % Toleranz bezogen auf 6 Sigma nach ISO 5393 und damit den gleichen geringen Fehleranteil von 0,6 pro einer Million Verschraubungen und das bei halbem Toleranzfenster.

 

Kriterium D: Betriebsdatenerfassung und statistische Prozesssteuerung

Zur Betriebsdatenerfassung und statistischen Prozesssteuerung sind Schraubsysteme notwendig, die mit übergeordneten Prozessdatenspeicherungen kommunizieren können. Auch hier bietet sich die EC- oder EC-Servo Technik als Systemlösung an.

 

Kriterium E: Dokumentationspflicht

Das Aufzeichnen der erreichten Drehmoment- und Drehwinkelwerte erlauben beide Systeme. Während dies bei der EC-/EC-Servo Technik eine grundsätzliche Funktion darstellt, muss der Druckluftschrauber speziell mit Drehmoment- und Drehwinkelsensorik ausgerüstet werden.
Der ursprünglich wirtschaftliche Vorteil des Druckluftantriebs verringert sich dabei.

 

Kriterium F: Investitionsbedarf

Die vielfältigen Möglichkeiten und Funktionen der EC-/EC-Servo Technik spiegeln sich in den Investitionskosten wider.

Grundsätzlich gilt: Je höher die Anforderung an ein Schraubsystem (Prozesssicherheit, Funktionsumfang, etc.) umso höher die Investitionskosten.

Hier bietet die altbewährte Drucklufttechnik deutliche Kostenvorteile.

 

Kriterium G: Betriebskosten

Um die Betriebskosten realistisch darzustellen, müssen eine Vielzahl von Einflussfaktoren berücksichtigt werden, wie z. B.

  • Vergleich der Energiekosten
  • Wartungsaufwand und -kosten: Während der Druckluftschrauber in der Regel vom betriebsinternen Instandhalter gewartet werden kann, muss der EC-Schrauber zum Hersteller gesandt werden.
  • Ausbildungsaufwand für Fachpersonal (z. B. Schraubersoftwareschulung)
  • Kalibriervorschrift für Messmittel (Qualitätsnorm EN ISO 9001)
  • Unempfindlichkeit gegen äußere Einflüsse (Staub, Luftfeuchtigkeit,...)
  • Investitionskosten

 

Kriterium H: Vorhandensein der Antriebsmedien

Nichtvorhandensein von Druckluft ist ein klares Ausschlusskriterium für den Pneumatikschrauber.

 

Kriterium I: Lebensdauer

DEPRAG Schrauber sind für den industriellen Dauereinsatz ausgelegt und weisen eine hohe Lebensdauer auf. Dies gilt für beide Antriebstechniken gleichermaßen.

DIE RICHTIGE BAUFORM FÜR IHRE ANWENDUNG

Schraubwerkzeuge sind in einer Vielzahl von Bauformen verfügbar.

So schreibt der klassische manuelle Einsatz mit vertikaler Schraubachse den Stabschrauber in gerader Ausführung vor, während bei horizontaler Schraubachse der typische Pistolenschrauber Anwendung findet. Weitere Bauformen sind der Winkelschrauber für beengte Platzverhältnisse oder hohe Drehmomente, Schrauber mit zylindrischem Gehäuse für den Einbau in Montageanlagen sowie verschiedenste kundenspezifische Lösungen.

DREHMOMENT, DREHWINKEL UND DREHZAHL

Ziel einer Verschraubung ist in der Regel die Verbindung von zwei oder mehreren Bauteilen auf eine definierte Vorspannkraft. Doch direkte Methoden, die erzielte Vorspannkraft zu messen, sind in der industriellen Serienfertigung nicht wirtschaftlich. Ausgewichen wird deshalb auf das Drehmoment als die bestimmende Prozessgröße in der Verschraubung.

Daraus ableitend ist die Genauigkeit der aufgebrachten Drehmomente in direktem Zusammenhang mit der erzielten Vorspannkraft und damit der Qualität der Verschraubung zu betrachten: Je genauer das Schraubwerkzeug arbeitet, umso zuverlässiger ist die Schraubverbindung.

Zusätzlich zum Drehmoment steht die Messgröße "Drehwinkel" zur Verfügung. Dabei wird eine definierte Drehwinkelstrecke ausgehend von einem Schwellenmoment bis zum Endmoment gemessen. Erscheinen beide Messergebnisse (Drehmoment und Drehwinkel) in den vorgegebenen Toleranzbereichen, so wird mit höchster Wahrscheinlichkeit von einer Gutverschraubung ausgegangen.

Auch die Drehzahl ist eine bestimmende Größe, die es festzulegen gilt: so können z. B. hohe Drehzahlen bei selbstformenden Kunststoffverschraubungen eine hohe Reibungswärme erzeugen, die das Ausformen der Gewindeflanken negativ beeinflussen kann.

Setzerscheinungen, Oberflächenbeschaffenheiten und Maßhaltigkeiten der zu verbindenden Bauteile, die Positioniergenauigkeit der Bauteile zueinander, etc. nehmen zudem Einfluss auf den Montageprozess und müssen berücksichtigt werden. Setzerscheinungen, die z.B. bei einer Pumpenverschraubung mit einer Dichtung auftreten können, begegnet man mit verschiedenen Lösungsansätzen. So können Drehmomenthaltezeiten oder der zwei- oder mehrfache Drehmomentanzug das Problem lösen. Andere Ansätze finden sich in der Kombination verschiedener Anzugsparameter. Zum Beispiel erlaubt das Reibwertverfahren ein Erkennen der Schraubenkopfauflage und davon ausgehend einen klar definierten Endanzug über Drehmoment- und/oder Drehwinkelwerte.

Umfangreiche Schraubfallanalysen eignen sich bestens zum Erfahren der notwendigen Anzugsparameter und Lösungsansätze.

ANWENDUNGSBERATUNG

Jahrzehntelange Erfahrung in der Schraubtechnik, professionell ausgestattete Analyse- und Prüflaboratorien (DAkkS akkreditiert) und ein großes Team von Anwendungsspezialisten steht Ihnen zur Verfügung.

Unsere Fachberater in Deutschland und weltweit helfen Ihnen vor Ort bei der Festlegung Ihrer Spezifikation. Gerne können Sie sich auch mit einem Ansprechpartner aus der jeweiligen Abteilung in Kontakt treten.

Weitere Informationen:

PDF Leitfaden Schraubtechnik